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Reine Haut und reines Gewissen

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 China verzichtet auf die Tierversuchspflicht bei Kosmetikprodukten. Das ist eine riesige Chance für internationale Hersteller. Bislang mussten die Firmen Tierversuche durchführen, wollen sie ihre Produkte in China verkaufen. Von Frank Sieren. 

Tierschutzorganisationen wie PETA halten es für einen Meilenstein: Laut Chinas National Medical Products Administration („NMPA“) sind Tierversuche für die Entwicklung gewöhnlicher Kosmetika in der Volksrepublik nicht mehr verpflichtend. Die Regelung tritt ab dem 1. Mai 2021 in Kraft. Bisher mussten Kosmetika-Produkte wie Shampoo, Feuchtigkeitscremes, Duschgel, Lippenstift, Lotion oder Make-up vor dem Marktstart an Tieren getestet werden. Um eine Feuchtigkeitscreme auf Hautirritationen zu testen, wurde etwa Kaninchen ein Wirkstoff injiziert und gelegentlich auch in die Augen geträufelt. Unnötiges Leid, sagen Tierschützer. Ausgenommen von der neuen Regelung sind sogenannte „special cosmetics“. Darunter fallen Produkte, die eine wissenschaftlich begründete kosmetische oder gesundheitliche Funktion für sich beanspruchen, etwa Whitening-Produkte, Sonnencreme, Antihaarausfallprodukte oder Haarfärbemittel. Auch Produkte, die gezielt für Babys und Kleinkinder entwickelt werden, dürfen nicht vollständig auf Tierversuche verzichten.

In der EU sind Tierversuche im Feld der Kosmetik seit 2013 verboten. Das ist jedoch nicht allein Tierliebe geschuldet. Dank wissenschaftlicher Durchbrüche ersetzte in den meisten Labors die Nachbildung menschlicher Gewebeproben den Bedarf an Tieren. Obwohl China bekanntlich offen für neue Technologien ist, überwog in dem immer wieder von Lebensmittelskandalen und Produktpfuscherei heimgesuchten Land lange die Sorge, dass sich weitere Verbraucherskandale zu Lauffeuern ausweiten könnten, die am Ende den Machtanspruch der Regierung gefährden.

Für ausländische Unternehmen öffnet sich nun ein riesiger, 85 Milliarden US-Dollar schwerer Online-und Offline-Markt. Goldman Sachs geht davon aus, dass Chinas inländische Kosmetikausgaben zwischen 2019 und 2025 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 12 Prozent auf mehr als 153 Milliarden US-Dollar steigen werden.

Viele ausländische Marken ließen sich bislang nicht auf die Testpflicht in China ein, sei es aus Tierliebe, sei es aus der Angst, das eigene Markenimage zu beschädigen. Andere hatten die Bestimmungen in Kauf genommen, um im chinesischen Wachstumsmarkt einen Fuß in die Tür zu kriegen. Einige internationale Kosmetikmarken hatten sogar einen Teil ihres Herstellungsprozesses nach China verlagert, um der Regelung für Tierversuche mit kleinen Kapazitäten vor Ort nachzukommen. Viele Marken nutzten auch den sogenannten Cross-Border-Online-Markt, um ihre Waren beispielsweise über die Alibaba-Plattform Tmall Global direkt an chinesische Kunden verkaufen zu können, und so die Tierversuchsklausel zu übergehen. Eine Lösung, um sich im großen Stil zu etablieren, war das allerdings nicht.

Dave Fenlon, CEO der australischen Skincare-Marke BWX, erklärt, der Vorstoß der National Medical Products Administration sei ein "Game Changer" für sein Unternehmen.

„Durch grenzüberschreitenden E-Commerce haben unsere Produkte in China bereits Bekanntheit erlangt. Die neue Regelung bringt aber einen grundlegenden Wandel - über 90 Prozent des Marktes werden über inländische Vertriebskanäle abgewickelt.“

Die Entwicklung ist ganz im Sinne der chinesischen Kunden. Obwohl es in China nach wie vor keine substantiellen Tierschutzgesetze gibt, wächst das Bewusstsein für das Thema in der Bevölkerung seit Jahren. An die 200 Nichtregierungsorganisationen setzen sich hier mittlerweile für Fragen des Tierschutzes ein. Immer mehr Chinesen halten Haustiere. Laut einem Weißbuchbericht über Chinas Haustierindustrie stieg die Zahl der Haustierkatzen im vergangenen Jahr auf 48,62 Millionen, ein Anstieg von 10,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Fälle von Tierquälerei sorgen dementsprechend in den sozialen Medien regelmäßig für Entrüstungsstürme. Auch der berüchtigte jährliche Hundefleischmarkt in der Stadt Yulin ist immer mehr - insbesondere jungen - Chinesen ein Gräuel. 2016 wurde eine Petition gegen das Festival von elf Millionen Chinesen unterzeichnet. Im April 2020 hatte Shenzhen als erste chinesische Metropole den Verzehr von Hunden und Katzen verboten. Wer gegen die neuen Regeln verstößt, muss umgerechnet 19.500 Euro zahlen.

Die Corona-Pandemie hat den Tierschutz noch vorangetrieben. Zum ersten Mal seit mehr als 30 Jahren hat China seine Liste der im Land geschützten Tiere aktualisiert und um über 500 Tierarten erweitert. Wer Wildtiere und bedrohte Arten wie Riesenpandas, Goldaffen oder Schwarzbären isst, wird mittlerweile mit mehr als zehn Jahren Haft bestraft. Wer vorsätzlich illegal gejagte Tiere kauft, muss mit immerhin noch bis zu drei Jahre Gefängnis rechnen. Laut einer Studie der Tierrechtsorganisation Faunalytics würden auch 51 der Chinesen eine artgerechtere Viehhaltung unterstützen.  Der Wille zur Veränderung ist da.

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