
Brüssel gegen Deutschland: EU-Zölle für China Autos. Ein Eigentor?
Worum geht es bei der angekündigten Einführung von EU-Autozöllen gegen chinesische E-Autos?
Ab Juli will die EU-Kommission Sonderzölle auf chinesische E-Autos erheben. Mitte Juni teilte sie mit, dass sie mit Strafzöllen von bis zu 38,1 Prozent gegen den aus ihrer Sicht unfairen Wettbewerb bei der Einfuhr chinesischer E-Autos vorgehen wollen.
In Peking stellt man sich eine nüchterne Frage:
Wessen Interessen in Europa vertritt Ursula von der Leyen mit den Zöllen gegen chinesische E-Autos?
Die Interessen der europäischen Autoindustrie nicht. Die Mehrheit - und die sitzt in Deutschland -hat sich ausdrücklich gegen Zölle ausgesprochen.
Die Interessen der europäischen Konsumenten, also der Wähler auch nicht. Denn für die bedeuten mehr China Autos, dass die Autopreise sinken - bei besserer Qualität. Wie bei schon bei TVs oder Smartphones. Vertritt von der Leyen als Deutsche die Interessen der Deutschen? Nein, denn Berlin war stets strikt dagegen und ist es bis heute.
Folgt von der Leyen denn zumindest demokratischen Werten? Nein, denn dann hätte sie die Entscheidung der neuen EU-Kommission überlassen, die nach der Wahl erst noch gefunden werden muss.
Offensichtlich geht es nicht darum Europa zu stärken oder China die Stirn zu bieten. Es geht um EU-Innenpolitik. Von der Leyen will zeigen, dass sie stärker ist als Olaf Scholz, um ihre Macht zu sichern.
Scholz hat sich schon vor einigen Wochen positioniert: „Protektionismus macht alles nur teurer.“ Das hat sie ignoriert und Scholz schweigt. Eine schwache Parade. Nicht einmal sein Regierungssprecher kritisiert von der Leyen, sondern sagt nur es sei gut, „dass die Kommission den chinesischen Autohersteller weitere Gespräche anbiete.“
Von der Leyens Angriff kam zudem kurz bevor Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) nach Peking reisen. Beide wirken nach dem Coup der Leyens wie Frühstücksdirektoren. Sie können nun nicht viel mehr tun als darauf hinzuweisen, dass Brüssel entscheidet. Während seines Peking Besuchs hatte Habeck auch mit Handelsminister Wang Wentao über die drohenden Zölle - und das Verhindern eines harten Zollstreits - gesprochen. Er sehe einige mögliche Kompromisse in den nun geplanten Verhandlungen zwischen China und der EU. „Es ist ein erster Schritt,“ so Habeck. Wang betonte, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit „nicht als Waffe eingesetzt“ werden dürfe.
Um weiter regieren zu können, muss von der Leyen zwei Hürden nehmen: Erst muss sie von den Nationalstaaten im europäischen Rat vorgeschlagen werden und dann vom EU-Parlament bestätigt werden. Deshalb ist der französische Präsident Emmanuel Macron ein zweiter wichtiger Königsmacher. Macron ist für China Auto-Zölle, weil französische Autos kaum noch in China produziert werden.
Wichtiger ist Macron allerdings, dass er zusammen mit Chinas Präsidenten Xi Jinping zu bei den Olympischen Spielen Ende Juli in Frankreich eine Feuerpause in der Ukraine hinbekommt. Da hätten die Auto Zölle gegenüber Peking zur Verhandlungsmasse werden können. Diese Tür hat von der Leyen nun geschickt zugeschlagen.
Damit hat sie - ob man das mag oder nicht - einen wichtigen Punktsieg errungen - auch oder gerade weil sie ihre Machtinteressen über die Interessen Europas gestellt hat. Obwohl von der Leyen auch deswegen in Paris und selbst Brüssel kritisch gesehen wird, in Ost- und Südeuropa sowieso, hat sie nun mit den China Autozöllen ihre Chancen erhöht, wiedergewählt zu werden.
Ihre Taktik legt offen: Frankreich und Deutschland sind innenpolitisch so angeschlagen, dass sie von der Leyen womöglich laufen lassen.
Was für die EU-Kommissionspräsidentin spricht: Ihre Partei, die EVP, ist die stärkste EU-Partei im Parlament und hat, anders als die Sozialisten und die Grünen, keine Wahlschlappe hinnehmen müssen. Allerdings kann ihre Partei nicht ohne Koalitionspartner regieren. Weil es schwierig wird mit den rechtsextremen Parteien zusammen zu regieren, ist sie auf eine Koalition mit den Sozialisten und den Grünen angewiesen. Da könnten Berlin und andere argumentieren: Wir unterstützen die EVP. Aber nur mit neuer Führungsspitze. Doch dazu reicht ihre Macht zumindest derzeit nicht.
Eine sachliche Debatte Zölle für China-Autos tritt angesichts des Machtpokers längst in den Hintergrund, wenn die Lage sich nicht dreht. Zahlen wie diese gehören dazu: Allein aus Baden-Württemberg sind 2023 Autoteile im Wert von 7,2 Milliarden Euro nach China exportiert worden. Während die Chinesen Autos im Wert von 11 Milliarden in die EU exportiert haben. Die Deutschen exportieren 2023 über 75 Prozentihrer Autos (3,1 Mio). Da spricht man nicht von Überproduktion oder gar Überschwemmung der Märkte, sondern von den besten Autos der Welt, die sich halt gut verkaufen lassen. Die Chinesen exportieren gut 16 Prozent ihrer Autos (5 Mio). Für Brüssel Folge der „Überproduktion und Subventionen“. Dass die China-Autos nun zu besten der Welt gehören, wird dabei gerne übersehen.
Sinnvoll wäre zu argumentieren: Chinesische Autos sind willkommen, aber sie müssen in Europa produziert werden. Das würde die Wettbewerbsbedingungen automatisch verbessern und noch neue Arbeitsplätze schaffen. BMW, VW & Co wurden ja auch gezwungen ihre Autos für China in China zu produzieren und die Zulieferer zu lokalisieren. Gut für beide: Arbeitsplätze und Know-How für China. Gewinne für Deutschland. Doch dagegen spricht: Schon jetzt will Brüssel gern zentral bestimmen, wo die Autos gebaut werden. Länder wie Ungarn jedoch unterlaufen diese Strategie. Budapest bietet bessere Standortbedingungen als in Zentraleuropa für BYD und Co. Steuererleichterungen und den Zugang zu billiger Energie. Auch das sind übrigens Subventionen.
Eines jedenfalls zeichnet sich in diesem Machtspiel deutlich ab: Was von der Leyen in Brüssel mit den China Zöllen angezettelt hat, ist schlecht für Deutschland. FDP-Verkehrsminister Wissing sagt deutlich:Der Handelskrieg, der nun entstehen kann, wäre für Deutschland „eine Katastrophe“ und auch für die EU „nicht von Vorteil“. „Ich halte davon gar nichts,“ betont Wissing. Es geht viel mehr darum dafür zu sorgen, dass „wir im Wettbewerb am Markt bestehen.“
Darin ist sich Wissing selbst mit dem Grünen Wirtschaftsminister Habeck einig: „Zölle sind als politisches Mittel immer nur ultima ratio und häufig der schlechteste Weg.“ Wenn Deutschland in einen „Zollwettlauf“ mit China einsteigen würde, „wäre das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“, betont Habeck.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnte, die Entscheidung der EU-Kommission werde für die stark exportorientierte deutsche Wirtschaft nicht ohne Folgen bleiben. Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sprachvon einem „weiteren Schritt weg von globaler Zusammenarbeit“.
Müller weiter: „Der potenzielle Schaden“ sei höher als der „mögliche Nutzen“ insbesondere „für die deutsche Automobilindustrie.“ Stefan Hartung, Chef des weltgrößten Autozulieferer Bosch kritisiert die Strafzölle: Sie könnten das Wachstum bremsen und die Inflation befeuern, was große Teile der Bevölkerung treffen. Und Mercedes Chef Ola Källenius gibt zu bedenken: „Die größten Importeure in China hergestellter Autos sind derzeit Mercedes und BMW.“ Mercedes baut den Smart in China. BMW den Mini.
Für Källenius ist Lage besonders schwierig: Der Privatkonzern Geely und das Staatsunternehmen BAIC sind jeweils mit knapp 10 Prozent an Mercedes beteiligt. Geely soll nun 20 Prozent Zoll bezahlen. Ausgerechnet das Unternehmen, das 2010 Volvo übernommen hat. Volvo verdient heute mehr denn je und hat in Europa so viele Mitarbeiter wie noch nie. SAIC, VW-Partner seit 1988, soll nun 38 Prozent Zölle zahlen. SAIC hat die Plattform für die E-Audis A3 und A4 entwickelt. VW verkauft rund 40 Prozent seiner Autos in China.
Die EU-Zölle seien „nicht der beste Weg.“, betont VW-Chinavorstand Ralf Brandstätter. Sie seien „nicht geeignet“, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autoindustrie zu garantieren.
„Während andere Regionen der Welt konsequent vorankommen und die heimische Industrie ankurbeln, gerät Europa ins Hintertreffen“. Es helfe nicht sich „hinter Zöllen zu verschanzen.“
„Europa braucht ein Umfeld, dass die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Autoindustrie fördert und langfristig den Erfolg im globalen Wettbewerb garantiert“, so Brandstätter, der in Peking lebt.
Das alles perlt an von der Leyen ab. Sie sagt sich hingegen offensichtlich: Erst mal meine Macht für eine zweite Amtszeit sichern und dann sehen wir weiter. Scholz scheint nun darauf zu hoffen, dass Peking etwas einfällt, von der Leyen einzufangen. Denn immerhin: die EU zeigt sich verhandlungsbereit.
Foto©Xinhua
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