
Habecks Wende
Wirtschaftsminister Robert Habeck überrascht die deutsche Wirtschaft mit neuen Einsichten nach seiner China-Reise.
Seine China-Reise hat bei Wirtschaftsminister Habeck offensichtlich einen tiefen Eindruck hinterlassen. Jedenfalls ist seine kürzlich vor dem BDI teils freigehaltene Rede recht emotional. Der China-Entkopplungsminister mutiert dabei zum Globalisierungsfan einer multipolaren Weltordnung inklusive Perspektivwechsel und viel Verständnis für China. Er möchte punkten beim Publikum.
„Europa muss einen Plan haben,“ erzählt der grüne Vizekanzler dem erstaunten Publikum. „Ein Plan kann nicht sein, dass wir glauben, weil wir etwas für richtig halten, dass alle anderen das auch glauben. Das wäre kein Plan. Das wäre Rechthaberei.“ Und schon hat Habeck den Applaus auf seiner Seite. „Der Plan, den Europa haben muss“, legt er nach: „Das wohlverstandene eigene Interesse in einer wettbewerblichen Partnerschaft umzusetzen.“ Das klingt anders als Entkopplung und selbst als De-risking.
Zuvor streifte Habeck zwar kurz „Schattenseiten“ der Globalisierung: „Marktöffnung und Produktionsverlagerung fördern Abstiegsängste und Verluste.“ Die Menschen müssten umlernen. Dabei entstünde „Gereiztheit und eine Anfälligkeit für Populismus“. Einen Zusammenhang zwischen dem „Erfolg der Globalisierung und dem Druck auf Demokratien“ könne man „nicht wegleugnen.“
Das Versprechen der Globalisierung
Doch dann folgt eine Eloge, die man von Habeck bisher nicht kennt. Das Versprechen der Globalisierung sei ja „trotzdem, dass durch die gemeinsamen Märkte Güter günstiger produziert werden, dadurch mehr Wohlstand generiert wird, mehr Bildungsmöglichkeiten da sind, dass sich die Gesundheitssituation verbessert, Menschen am Ende länger leben und glücklicher werden und damit auch die Grundlage geschaffen wird für Demokratie.“
Deshalb seien die kürzlich verkündeten EU-Zölle auf chinesische E-Autos schlecht. Ein Zollkrieg ebenfalls: Egal, wer am Ende die Nase vorn habe, „alles würde wieder teurer werden.“ Weniger Wohlstand würde entstehen. Weniger Menschen würden Zugang zu sauberer Energie zu Wasser, zu Bildung zu Gesundheitsfürsorge bekommen. „Am Ende würden alle verlieren,“ so Habeck.
Deswegen sei es so tragisch was gerade zwischen China und Europa passiere. „Wir befinden uns in einer Abwärtsspirale. Deshalb dürfe man nicht einsteigen ins „Ich gönne Dir nichts. Denn am Ende werden alle durch dieses Nichtgönnen verlieren.“ Darum sei die Frage der Zölle ein Problem, dem man eine Bedeutung beimessen müsste, die „nicht groß genug sein kann.“ Und wieder BDI-Applaus. Sätze, die auch von einem chinesischen Minister stammen könnten.
Kein Termin mit Li Qiang
Allerdings ist es schwierig festzustellen, ob dies ebenso tiefe wie späte Einsichten eines lernenden Reisenden sind, die mehr der innenpolitischen Not geschuldet sind, oder dem innigen Wunsch folgen, nun endlich bei den Managern und Unternehmern zu punkten. Zudem ist nicht klar, wie nachhaltig Habecks neue Position ist. Dazu müssen den Worten erst noch Taten folgen.
Offensichtlich ist jedenfalls: Es geht nicht nur um Zölle und eine gerechtere Welt. Es geht um Innenpolitik nach dem Desaster der Europawahl. Nun zählt im Machtkampf bei den Grünen, in der Koalition und um die Wähler jeder Zentimeter.
Mit seinen neuen Thesen will sich Habeck offensichtlich von seiner Parteikonkurrentin Annalena Baerbock absetzen. Ihr liegt beim Thema China nichts ferner als Perspektivwechsel. Gleichzeitig will Habeck als weltläufiger gelten als Bundeskanzler Olaf Scholz. Das ist so schwierig nicht. Und schließlich will er Managern und Unternehmern signalisieren, dass er für sie die Kohlen aus dem Feuer holen kann. Das ist die machtpolitische Ausgangslage zu Beginn seiner China-Reise.
Gleichzeitig war jedoch selbst Habeck klar, dass Peking ihn, den Erfinder der Entkopplungsstrategie auf Abstand halten würde, auch wenn er die bereits zu De-risking relativiert hat. Dass Habeck zuerst nach Südkorea geflogen ist und dann erst nach China, macht seine Mission nicht einfacher. So etwas wird in Peking aufmerksam registriert.
Also hat sich Habeck vorgenommen: Wenn außenpolitisch nichts geht, versucht er innenpolitisch so viel Gelände wie möglich gut zu machen.
Doch erstmal kam es wie es kommen musste. Peking zog die Register einer neuen Weltmacht, die sich nicht mehr herumschubsen lässt. Habecks Termin mit Premierminister Li Qiang wurde gestrichen. Das hat es lange nicht mehr gegeben, dass ein Vizekanzler nicht vom Premierminister empfangen wurde. Der erste hochrangige Dialog zum Klimawandel und zur grünen Transformation ist nach nicht einmal einer Stunde zu Ende - inklusive Fotoshooting. Und das, obwohl er im Rahmen des „deutsch-chinesischen Kooperationsmechanismus“ stattfindet, von Staatspräsident Xi Jinping und Scholz vereinbart.
Medienberichte
Die chinesischen Medien sind kurz angebunden. In sieben kurzen Absätzen berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua vom Habeck-Besuch. Fünf sind darüber, was Handelsminister Wang Wentao gesagt hat und nur die letzten beiden darüber, was Habeck meint.
Im ersten Absatz betont Wang, dass China verhandlungsbereit ist. Im zweiten, dass Wang dies bei dem Treffen mit Habeck betont hat. Im dritten, dass Wang eine „Eskalation vermeiden“ will und die „vernünftigen Bedenken beider Seiten im Blick haben“ will. Im vierten Absatz „hofft“ Wang, dass Deutschland „eine positive Rolle“ spielt und bei der EU dafür „werben“ wird, dass die Europäer die Chinesen auf „halbem Wege“ entgegenkommen. Im fünften Absatz droht Wang mit den „notwendigen Maßnahmen“, sollte Europa „störrisch“ sein. Dazu zähle eine Klage bei der WTO.
Erst dann wird Habecks Position sehr einseitig zusammengefasst: Die deutsche Regierung sei „sehr beunruhigt“ über das Vorgehen der EU, das Europas „grünen Übergang und die Konsumenteninteressen negativ beeinflussen wird.“ Und im letzten Absatz lassen sie Habeck betonen, dass Zölle die „schlechteste Herangehensweise“ sind und „Verhandlungen der einzige Weg“ seien, die Probleme zu lösen.
Habeck hält tapfer dagegen, kritisiert Kinderarbeit und Chinas Nähe zu Russland. Das seien die „Sicherheitsinteressen“ Deutschlands. Erläutert, dass die Zölle keine Strafen sind, sondern Ausgleichszölle. Die Geschichte: Der Gute und die Bösen. Das kommt an bei dem guten Dutzend der mitreisenden Journalisten. Habeck produziert gute Überschriften wie: „Einer für alles“ (FAZ), „Wie Habeck Chinas Fallen trotzt“ (Zeit), „Ein bisschen Hoffnung im Gepäck“ (ARD) „Klare wirkungsvolle Worte“ (Taz) „China Besuch mit klaren Ansagen (Süddeutsche) oder sogar „Habeck genießt den Erfolg seiner resoluten Chinadiplomatie“ (N-TV).
Zoll-Verhandlungen
Als ihn dann noch die Meldung in Shanghai erreicht, die EU und China wollen über die Zölle verhandeln, konnte Habeck seine Freude darüber kaum verbergen. „Das ist insofern neu und ich würde sagen, überraschend, weil es die letzten Wochen nicht gelungen ist, in einen konkreten Verhandlungsfahrplan einzusteigen.“ Und er fügt hinzu: „Ich kann nur sagen, dass ich das getan habe, was man als deutscher Wirtschaftsminister in dieser Situation tun muss“, Ob seine Gespräche ein Beitrag gewesen sind und „wie viel Beitrag es gewesen ist, müssen andere beurteilen“, so Habeck.
Einer, der das gut beurteilen kann, ist Bundeskanzler Scholz: „Ich hatte ja mit der EU-Präsidentin verhandelt, dass wir ein Gespräch führen.“ Deshalb habe die EU-Kommission gleichzeitig einen Brief nach Peking geschickt, dass sie verhandlungsbereit sei. „Das ist, glaube ich im ersten Überschwang der öffentlichen Kommentare etwas untergegangen“, sagt Scholz im Hinblick auf Habeck ironisch.
Es war tatsächlich so, dass der Telefontermin zwischen Handelsminister Wang Wentao und Handelskommissar Valdis Dombrovskis schon längst feststand, als sich Wang mit Habeck getroffen hat. Er hat ihm das nur nicht gesagt.
Doch das stört Habeck nicht. Er arbeitet in China weiter an seinem Narrativ, ohne Verhandlungsmandat der EU auf eigene Kasse, nicht ohne Erfolg. „Ich hatte über den Tag das Gefühl, dass die Botschaften, die ich senden wollte, immer mehr verstanden wurden. Es ist mehr als man am Morgen des Tages erwarten konnte.“
Chinaversteher
In Berlin baute Habeck beim BDI an seinem neuen Image als der Chinaversteher der Grünen. Eine Position, die noch frei ist und den Managern gefällt. Um die Konfrontation zu lösen, mache es Sinn, sich „die Sichtweise des jeweils anderen anzueignen.“ Die chinesische Seite glaube fest, dass „die europäische Union, der Westen, in einer Form von Verlängerung einer imperialen Haltung nicht möchte, dass erfolgreiche chinesische Produkte auf unseren Markt kommen.“ Es koste „einen viel Kraft zu sagen, darum geht es nicht. Aber die Angst dort ist real“.
Habeck ist überzeugt, wenn Chinas Politiker im Zentralkomitee miteinander reden, dann reden sie „genauso wie sie öffentlich reden, weil sie es glauben.“ Und umgekehrt glaube man in der EU, „die Chinesen wollen mit Dumping Angeboten unseren Markt, unseren Wohlstand und unsere Industrie zerstören. Das wiederum verstehen die nicht. Und wir verstehen die chinesische Sichtweise auch nicht.“
In Peking ist man derweil erstaunt, dass Habeck genau macht, was man sich wünscht. Diesen Wunsch hat die Staatszeitung Global Times formuliert: „Von Habeck wird erwartet, dass er als Koordinator handelt“. Der Artikel schließt mit den Worten. „Habeck ist gut beraten, seine politischen und ideologischen Vorurteile beiseitezulegen.“ Was man in Peking nicht versteht: Die Chinesen sind gar nicht gemeint. Es geht ihm vor allem darum, sich innenpolitisch zu positionieren. Und dabei setzt Habeck nun statt auf Zölle und Regulierungs-Kleinklein auf Innovation: „Es ist die Wettbewerbsfähigkeit, die darüber entscheiden wird, ob Europa resilient ist und ob Europa eine eigene politische Stimme in dieser veränderten und heftig umkämpften globalen Welt findet.“ Mal sehen, was Habecks Ministerium nun tut, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhöhen.
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