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Künstliche Sonnen

1724132986205 de.china-info24.com Frank Sieren

Chinas HH70-Versuchsreaktor kommt einen Schritt weiter auf dem Weg zu sauberen und nachhaltigen Energieversorgung durch Kernfusion.

China hat im globalen Wettbewerb der Fusionstechnologie für saubere Energie offensichtlich die Führung übernommen. In Shanghai wurde jüngst die weltweit erste vollständig supraleitende Hochtemperatur-Tokamak-Anlage „HH70“ in Betrieb genommen, die erfolgreich Plasma hergestellt. Plasma ist - vereinfacht - heißes ionisiertes Gas. Die Sonne besteht von ihrem Zentrum bis zur äußeren Schicht aus Plasma. Im Kern ist sie bis zu 15 Millionen Grad heiß.

Die Kernfusion versucht die Energieproduktion der Sonne nachzuahmen: Wasserstoff Atome werden auf Temperaturen von mehr als 100 Millionen Grad Celsius erhitzt und magnetisch eingeschlossen. Dadurch verschmelzen die Wasserstoffkerne zu Heliumkernen, wobei sie Energie freisetzen. Die Aufgabe besteht nun darin, weniger Energie für die Verschmelzung zu brauchen, als Energie bei der Verschmelzung entsteht.

„China hat gezeigt, dass es ein Keyplayer in der Fusionstechnologie ist, räumtauch die American Nuclear Society ein.

Kleiner und billiger

Tokamak-Geräte, oft auch „künstliche Sonnen“ genannt, sind traditionell groß und teuer.

Der vom Shanghaier Unternehmen Energy Singularity entworfene und gebaute HH70 ist kleiner und günstiger in der Herstellung. Ein wichtiger Schritt für künftig kommerziell rentablere Fusionsreaktoren, soGuo Houyang, Mitbegründer und CTO von Energy Singularity.

Der HH70 verfügt über ein Magnetsystem aus hochtemperatursupraleitenden Materialien - eine weltweite Neuheit. Bisher waren die astronomisch hohen Energiekosten zur Kühlung der Fusionsreaktoren die größte Hürde auf dem Weg zur kommerziellen Nutzung künstlicher Sonnen. Doch: Je stärker die Reaktoren außen gekühlt werden, desto größer kann die Hitze innen sein. Je größer die Hitze, desto besser die Kernfusion, und somit mehr Energie.

Nun verwendet man schneller und billiger herzustellende HTS-Materialien (High Temperature Superconducting Tapes). Sie ermöglichen die Entwicklung stärkerer Magnetfelder. Die neuen Magnetfelder sind als eine Art Isolierraum notwendig, um das heiße Plasma von den Wänden des Reaktors fernzuhalten, die ansonsten durchbrennen würden.  Energy Singularity entwickelte und baute das supraleitende Tokamak-Gerät in Rekordzeit: innerhalb von nur zwei Jahren. World Energy Outlook schätzt, dass die Menschheit bis 2050 mit einem Energiedefizit von mehr als 10 Prozent konfrontiert sein wird wenn fossile Brennstoffe wie Öl, Erdgas und Kohle nach und nach vom Weltmarkt verschwinden. Herausforderung und Chance gleichermaßen.

Durchbrüche bei hochtemperatursupraleitenden Materialien und anderen Technologien sind es, die die Entwicklung eines wirtschaftlich rentablen Tokamaks ermöglicht, so Guo. Bis 2027 will Energy Singularity einen Tokamak der nächsten Generation bauen, ein stationäres, hochmagnetisches und hochtemperatursupraleitendes Modell. 2030 bereits soll es ein voll funktionsfähiges Demonstrationskraftwerk geben.

Zukunftstechnologie

In Südfrankreich wird seit 2007 ein Fusionsreaktor gebaut, der zunächst 2025 in Betrieb gehen sollte: ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor). Seit Juli 2024 gibt es allerdings einen neuen Zeitplan: nun soll der Kernfusionsreaktor erst im Jahr 2039seinen Betrieb aufnehmen und 5 Milliarden Euro mehr kosten. Beteiligt daran sind neben der EU auch die USA, China, Russland, Indien, Japan und Südkorea. Das bedeutet viel längere Abstimmungsschleifen.

„Einen Stern auf der Erde künstlich zu erzeugen, am Leben zu erhalten und zu melken“, sei das Komplizierteste, das Menschen jemals versucht hätten, soMarkus Roth von der TU Darmstadt. „Wäre es Raketenwissenschaft, hätten wir es in den 60ern bereits hinter uns gebracht“.

Chinas Vorteil: wegen des riesigen Heimatmarktes und der reifen Fertigungsindustrie entsteht eine komplette Lieferkette für alle Teile, die man für Kernfusionsreaktoren braucht. Die Aussicht die Kosten schnell zu senken ist bei großen Stückzahlen in China sehr wahrscheinlich, ebenso wie schon bei der Solarenergie und den Atomkraftwerken der 4. Generation. Außerdem fördert die Regierung  die Technologie entschlossen in enger Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft: „Kontrollierte Kernfusion ist die einzige Richtung für die Energie der Zukunft, und der Bereich entwickelt sich rasant.“

Der erste mit Hilfe einer künstlichen Sonne erzeugte Strom „muss aus unserem Land kommen und wir arbeiten auf dieses Ziel hin“, sagt Li Tiezhong, Vorstandsvorsitzender von China National Power.

Dennoch wird es noch eine Weile dauern, bis der Traum von der Kernfusion alltagstauglich wird: Kein Co2, kaum radioaktiver Müll, keine Gefahr einer Reaktorkatastrophe, und dennoch viel Energie.

Lin Boqiang, Direktor des China Centre für Energy Economics Research an der Xiamen University glaubt, dass es noch 30 Jahre dauern wird, bis „künstliche Sonnen“ im Normalbetrieb unsere Energie herstellen. Allerdings hält er es „für eine Zukunftstechnologie, die für Chinas grünen Entwicklungsschub entscheidend ist.“

Foto©Screenshot von CCTV

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